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Versorgungsforscher decken auf:

Erstellt von Prof.Dr. Manfred Zielke | | Publikation

Verlautbarungen der Krankenkassen zur "Zunahme" psychischer Erkrankungen in Deutschland sind falsch und irreführend.

Die epidemiologische Forschung zu psychischen Erkrankungen in Deutschland ist außer Rand und Band:

Die von den Krankenkassen in regelmäßigen Abständen proklamierte Zunahme psychischer Erkrankungen ist ungefiltert in die öffentliche und wissenschaftliche Meinungsbildung eingedrungen, ohne dass bislang belastbare Nachweise für die Richtigkeit dieser Behauptungen vorgelegt wurden.

Von den Krankenkassen unabhängige Versorgungsforscher haben untersucht, ob die Datenbasis der von den Krankenkassen veröffentlichten Krankheitsartenstatistiken zuverlässige Informationsquellen für das behauptete Anwachsen der Neuerkrankungen bei psychischen Erkrankungen darstellen.

Das Auswertungsrationale der Krankenkassen führt zu der irreführenden Annahme einer Zunahme von Neuerkrankungen. Dabei sind die ausgewerteten AU-Fälle und deren Zunahme keine Krankheitsfälle im Sinne von Neuerkrankungen, sondern lediglich Krankheitsereignisse oder gar Mehrfachereignisse bei identischen Versicherten innerhalb eines Jahres. Gerade bei psychischen Erkrankungen müssen wir von einem multiplen Krankheitsgeschehen ausgehen. Ohne eine Mitnahme personenbezogener Identifikationen von Krankheitsereignissen kommt es seit Jahren durch Mehrfachzählungen zu dem irreführenden Bild einer nur scheinbaren Explosion der Neuerkrankungen. Zudem wird das unbestrittene Anwachsen der Krankheitstage im Wesentlichen durch eine längere Krankheitsdauer je Fall verursacht und nicht durch eine Zunahme der Neuerkrankungen.

Die Anzahl der Neuerkrankungen ist nach aktuellen wissenschaftlich belastbaren Veröffentlichungen weitgehend konstant.

Wir haben es eher mit einem Rückgang von kurzdauernden AU-Fällen und einer gleichzeitigen Zunahme längerdauernder Krankheitsfälle zu tun. Eine solche Entwicklung würde auch das Anwachsen der AU-Tage insgesamt erklären. Aufgrund der administrativen Konventionen und der Datenqualität der Krankenkassen sind Angaben zu den Neuerkrankungen so nicht haltbar, irreführend und falsch!
Kritische Versorgungsforscher sprechen gar von einer "gefühlten" Zunahme psychischer Störungen (was auch immer das ist), die offenbar etwas anderes abbildet als eine tatsächliche Zunahme der Inzidenz und Prävalenz psychischer Störungen.

Die Unwissenheit und die mangelnde Erfahrung im Umgang mit administrativen Krankheitsdaten in weiten Teilen der Bevölkerung und in der klinischen Versorgungsszene und auch in den psychotherapeutischen Verbandsorganen tragen nicht unwesentlich dazu bei, alles zu glauben und für bare Münze zu halten, was die Administrationen der Krankenkassen verbreiten – wenn es denn den eigenen Interessen nützt.

 

 

 

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